Klettern: Netzwerkarbeit für einen Kletterturm

18.02.2022

Pfälzische Volkszeitung vom 17.02.2022

Netzwerkarbeit für einen Kletterturm

Klettern: Die Geburt ist schwierig, doch es könnte ein Wunschkind werden: Der Deutsche Alpenverein will einen Kletterturm in Kaiserslautern bauen, die Uni ihn betreiben, das Heinrich-Heine-Gymnasium seine Talente aus der Kletterklasse hinschicken, die Kaderathleten wollen dort trainieren.

Kaiserslautern. Das Projekt ist einzigartig, zumindest in Deutschland. Und dass das Ganze ausgerechnet in Kaiserslautern funktioniert, hat im Wesentlichen zwei Gründe: dass die Stellen, die davon profitieren, so nah beieinander liegen. Und dass die Verantwortlichen eins beherrschen: Netzwerken, über den Tellerrand schauen und neue Wege gehen. Wer wann auf wen als erstes zugegangen ist, lässt sich gar nicht so genau auseinander dividieren. „Der Landessportbund und das Heinrich-Heine-Gymnasium haben zeitgleich Gespräche zum Landesverband des Deutschen Alpenvereins gesucht“, erinnert sich Johannes Lau, Bundestrainer Jugend und zuständig für die Betreuung des Nachwuchskaders der Kletterer. Es gab viele Gespräche, viel Austausch, Ideensammlungen. Am Ende stand fest, dass alle Seiten von dem profitieren, was dabei rauskommt: Kletterer, Kaderathleten, Studenten, Schüler, Lehrer. Seit 2017 ist Klettern im Aufwind, seit entschieden wurde, dass die Sportart olympisch wird. „Da ist international viel passiert, und das geht runter bis auf Landesebene“, sagt Lau. Seit vergangenem Jahr gibt es eine hauptamtliche Trainerstelle. Und ebenfalls 2021 wurde Kaiserslautern zum Landesstützpunkt Klettern ernannt. Das Heinrich-Heine-Gymnasium (HHG), die Eliteschule des Sports, hat Klettern als Schwerpunktsportart in sein Programm aufgenommen. Jetzt gibt es neben drei Landeskaderathleten sechs Schülerinnen in der fünften Klasse, die zum Klettern ans HHG gekommen sind. Für das neue Schuljahr stehen die Bewerber Schlange. „Wir hatten ein Schnuppertraining mit 20 Kindern, von denen einige motorisch richtig begabt waren“, schwärmt Jan Christmann, der Leiter des Sportzweiges am HHG, der das Netz weiterspinnt: „Wenn sich Klettern gut entwickelt, könnte es Förderschwerpunkt werden.“ Das könnte bedeuten, dass das Ministerium eine Lehrertrainerstelle am HHG genehmigt. Derzeit unterrichtet Lau die Talente auf Honorarbasis. Und stößt immer wieder an Grenzen. Die Kletterwand in der Barbarossahalle in Kaiserslautern ist zu niedrig, um daran olympische Disziplinen wie Lead (Klettern so hoch wie möglich am Seil) oder Speed (Klettern so schnell wie möglich) zu trainieren. Seine Talente beziehungsweise ihre Eltern sitzen oft im Auto und fahren nach Frankenthal oder in andere Hallen, die höher sind als die Wand in der Barbarossahalle. Um Kletterer fit für Olympia zu machen, bräuchte es eine hohe Kletterwand. Da kam die Idee mit dem Turm ins Spiel, die immer konkretere Formen annimmt: Die Technische Universität kam mit ins Boot, bot an, Gelände zur Verfügung zu stellen und als Betreiber aufzutreten. Inzwischen stehen die Eckdaten. Die Uni stellt ein 1460 Quadratmeter großes Grundstück zur Verfügung, gibt dafür zwei Tennisplätze auf. Darauf entstehen soll ein rund 16 Meter hoher und etwa sechs Meter breiter Kletterturm, der auf der einen Seite einen Überhang von fünf Grad hat, damit die Kletterer da Speed trainieren können. Die andere Seite ist für Lead präpariert. Eine nicht ganz einfache Hürde auf dem Weg zum Turm war ein Antrag, den der Landesverband des Deutschen Alpenvereins (DAV) genehmigen musste. Er musste den Förderantrag stellen – das Sportministerium hatte bereits angekündigt, dass es das Vorhaben mit rund 50 Prozent bezuschussen würde. Und er musste sein Okay für die Ausschreibung geben. Lothar Lukoschek, Vorsitzender der DAV-Sektion Kaiserslautern und inzwischen auch an die Landesspitze gewählt, musste einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Einige der Sektionsmitglieder machten sich Sorgen wegen der Kosten, die am Landesverband oder den Sektionen hängen bleiben könnten. Andere haderten mit dem Standort am Rande des Gebietes. Am Ende gab es Zustimmung. 430.000 Euro sind derzeit für das Projekt veranschlagt. Rund 215.000 würde das Land übernehmen. Etwa 72.000 würde der Bundesverband des Alpenvereins zuschießen, rund 40.000 das HHG, 20.000 erhofft sich der DAV von Sponsoren, 83.000 blieben beim Landesverband hängen. Wenn die Zuschüsse zugesagt sind, der Landesverband „final zugestimmt“ hat, alles bewilligt ist, könnte mit dem Bau des Fundamentes im Herbst begonnen werden, rechnet Lukoschek vorsichtig vor. Der Turm, der wahrscheinlich aus Holz sein wird und innerhalb von zwei, drei Wochen gebaut wäre, würde dann möglicherweise noch in diesem Jahr stehen. Nahe am Heinrich-Heine-Gymnasium, auf dem Unigelände, nicht weit entfernt von der Kletterhalle des Deutschen Alpenvereins. „Es ist ein außergewöhnliches Pilotprojekt, das auch der DAV-Bundesverband beäugt. Die Kombination am Hochschulstandort, mit Landeskaderathleten, die vor Ort studieren, mit einem Förderschwerpunkt an einer Schule mit Internat ist beim Klettern noch nicht ausprobiert worden“, sagt Lukoschek. Klettertrainer Lau findet es „toll, dass alle in die gleiche Richtung rudern“, sieht einen Standort, der „deutschlandweit einzigartig ist“. Auch Arnd Poetzsch-Heffter, Präsident der TU Kaiserslautern, spricht sich klar für das Projekt aus: „Der Klettersport setzt in der Kaiserslauterer Sportlandschaft starke Akzente. Das erhöht die Strahlkraft des Sportzentrum Pfalz und unterstreicht damit einmal mehr die Stärke des Netzwerks, in dem wir uns gemeinsam mit den vor Ort ansässigen Partnern im Leistungs- und Breitensport engagieren. Auch für uns als Universität, die großen Wert auf die Sport- und Gesundheitsförderung legt, wird der Kletterturm bereichernd wirken.“ Geboren ist das Kind noch nicht. Der Landesverband startet jetzt die Ausschreibung. Ob dann tatsächlich gebaut wird, entscheidet die Mitgliederversammlung des DAV.

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