Bericht der RHEINPFALZ: Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und von Klaus Kullmann
Radsport: Nach ihrem Horrorsturz in London sucht Alessa-Catriona Pröpster mit Hilfe einer Sportpsychologin den Anschluss
Dudenhofen. Der Horror-Crash über die Bande am 7. Dezember 2024 in London brachte die erfolgreiche Karriere von Alessa-Catriona Pröpster abrupt und unvorbereitet ins Stocken. Vor drei Wochen hat die 24-Jährige in Gent ihren ersten Wettkampf bestritten. „Ich habe vor, wieder voll anzugreifen“, versichert sie. Aber wie kann das gehen?Es hatte damals nur wenige Tage gedauert, bis Alessa Pröpster und ihre Familie beschlossen, sich professionelle Hilfe an die Seite zu holen. „Die ersten beiden Wochen nach dem Sturz hatte ich alles weggelegt, keinem zurückgeschrieben, ich wollte nur Ruhe“, sagt sie heute. Es waren Fragen wie „Wirst du überhaupt wieder Spaß am Radfahren finden?“ gekommen, aber sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Ihr Freund, der Kanute Moritz Florstedt (23), brach ein Trainingslager in Sabaudia ab, um bei ihr zu sein. Sie brauchte jede körperliche und mentale Hilfe, denn sie konnte aufgrund ihrer tiefsitzenden Prellungen nichts alleine machen. Nicht mal aufs Klo gehen. „Allein war ich nicht lebensfähig“ gesteht sie. Kurze Rückblende in den Londoner Lee Valley Park, zweieinhalb Wochen vor Weihnachten: Im letzten Champions-League-Rennen fliegen in einem Keirin-Vorlauf Alessa-Catriona Pröpster und Olympiasiegerin Katy Marchant spektakulär über die Bande aus Plexiglas in die Ränge. Vier Zuschauer wurden verletzt, Katy Marchant brach sich den Arm, Alessa Pröpster stand nach wenigen Minuten ohne äußerliche Schrammen auf. Vier Monate später, auf der Trainingsbahn in Dudenhofen, lässt die mehrfache Junioren-Welt- und Europameisterin sowie zweifache Nations-Cup-Siegerin, die inzwischen ihre Ausbildung zur Polizeimeisterin abgeschlossen hat, ein paar Einblicke in ihr Seelenleben zu. Und die lassen erahnen, wie tief und folgenreich der kapitale Sturz noch sitzt. „Früher ging ich auf die Bahn und fühlte, hey, wie geil ist das denn. Endlich wieder Training, hab’ richtig Bock drauf. Und jetzt gehe ich auf die Bahn und mein Körper und mein Kopf denken, was machst du denn hier“, gibt die so lebenslustige Frohnatur zu bedenken. Es sei auf jeden Fall der richtige, ja unabdingbare Schritt gewesen, sich sportpsychologische Hilfe zu holen. Rosemarie, ihre Mentaltrainerin, war auch vor drei Wochen in Gent dabei. Zum Glück. „Ich habe sie total gebraucht, es war mal wieder der perfekte Tag, um Rennen zu fahren“, bekennt Pröpster nicht ohne Ironie, denn vor ihren Augen gab es bei den Männerrennen nur Stürze. Das reichte für eine Panikattacke. „Sie hat mich schnell eingefangen und wir gingen eine Runde spazieren“, erzählt Pröpster. Aber wie fängt man jemanden ein? „Wir arbeiten viel mit Vision und sich selbst Dinge vorstellen. Zum Beispiel, wie das Gefühl nach einem gewonnenen Keirinlauf ist. Ich muss mir bewusst machen, welch großen Erfahrungsschatz ich habe. Ich halte mich daran fest, dass ich schon mehrfach stürzte, jedes Mal wieder aufstand und stärker zurück kam, als ich jemals davor war“, klärt sie über gewisse Festhaltepunkte auf. Mal war sie in Grenchen gestürzt und hatte einen riesen Holzsplitter im Oberschenkel stecken, mal in Cottbus, als sie gefühlt keine Haut mehr am Körper hatte. Aber über die Bande geflogen, das war sie noch nie. Das seltsame Kribbeln um die Wirbelsäule und kein Gefühl in den Beinen zu haben, die Sorge, ob sie je wieder laufen kann – all das war in den ersten Schreckminuten ganz neu für sie. Der Blick geht nach vorne, ganz nach dem Motto, wieder anzugreifen. In Gent war sie wesentlich größere Gänge gefahren als sonst. Es sei nicht gut, aber auch nicht schlecht gewesen. Doch auch das erfuhr sie: „Wenn eine im Keirin attackierte, ließ ich sie vorbei fahren und sagte mir: Macht ihr mal euer Zeug da vorne, ich fahre hinterher, gar kein Problem“. Als nächstes startet Alessa Pröpster in Brünn, dann an Pfingsten in Oberhausen, Darmstadt und Dudenhofen, wo Anfang Juli auch die deutschen Meisterschaften sind. Mit den Wettkämpfen sollen Spaß und Leichtigkeit zurückkommen. Und „nebenbei“ geht sie am 20. Mai zum Vorstellungsgespräch für den gehobenen Dienst bei der Bundespolizei.