In der Weltspitze angekommen
Bericht der Rheinpfalz vom 3.11 – Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und von Klaus Kullmann
Sportstypen: Bahnradsprinter Henric Hackmann glänzt mit Rekordzeiten bei der WM in Chile. Der vierte Platz wird für den Kirchheimer zum Meilenstein. Dabei war das Jahr zuvor alles andere als reibungslos verlaufen.
Santiago de Chile. Sportlerinnen und Sportler gehen in ihren Karrieren durch Höhen und Tiefen, das ist normal und vor allem notwendig, weil charakterprägend. Henric Hackmann, der baumlange Radsprinter, schwebt momentan auf Wolke sieben, also ganz oben. Das war nicht immer so in diesem Jahr. In Chile hat er die Lücke zur Weltspitze fast geschlossen. Wahrscheinlich hätte jeder, der auf Henric Hackmann als viertschnellster Zeitfahrer der Welt über 1000 Meter bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften in Santiago de Chile gesetzt hätte, die Wette verloren. Nur er selbst, der seinen Körper am besten kennt und das größte Vertrauen in ihn hat, wusste, was er drauf hat. „Es geht steil nach oben, ich bin in der Form meines Lebens“, sagte Henric Hackmann nach dem Wettbewerb, in dem er förmlich in die Weltspitze raste: mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60,59 km/h. Auf zwei Rädern, nur mit eigenem Beinantrieb! Zum ersten Mal durchbrach der 22 Jahre alte Pfälzer aus Kirchheim die Ein-Minuten-Schallmauer: zunächst in der Qualifikation in 59,721, dann im Finale mit 59,410 Sekunden. So schnell war noch keiner aus einer der Trainingsgruppen von Coach Frank Ziegler, der Hackmanns Zeit mit „überragend“ kommentierte: „Er ist sensationell in die Weltspitze gefahren. Wer bei einer WM Bestzeit fährt, hat alles richtig gemacht“. Und Hackmann hat in allen drei Disziplinen Bestzeiten auf die Bahn gezaubert, war damit der mit Abstand beste deutsche Sprinter. Im Teamsprint, in dem das deutsche Trio mit Luca Spiegel aus Landau und Max Dörnbach aus Cottbus auf Platz sieben kam, glänzte er auf Position eins mit einer Anfahrtszeit von 17,2 Sekunden, im abschließenden Sprintwettbewerb fuhr er zunächst über 200 Meter in 9,89 Sekunden Bestzeit und belegte am Ende Rang zwölf. „Ich bin sehr glücklich, dass alles so gut klappte. Glücklich, aber nicht euphorisch. Im Endeffekt gehe ich zwar ohne Medaille, aber mit einem sehr guten Gefühl auf dieser WM heraus. Sie ist ein Meilenstein in meiner Karriere“. Er wolle bodenständig bleiben und sein Ding weitermachen, versprach er. Bundestrainer Jan van Eijden aus Kaiserslautern, der Hackmann vor dem Abflug lediglich den Startplatz über 1000 Meter zugesichert hatte, lobte: „Henric ist nach oben rausgestochen und hat im Zeitfahren sehr überzeugt“. Nur um 15 Hundertstelsekunden fuhr er am Podium vorbei – und trug’s mit Fassung: „Vierter zu werden ist immer ein bisschen ärgerlich, man überlegt, was hätte man besser machen können. Aber für mich ist der vierte Platz unfassbar“, sagte „Hacki“. Dabei verlief das Jahr alles andere als reibungslos. In Konya/Türkei hütete er im März erkrankt das Hotelbett, anstatt seine Runden beim Nations Cup zu drehen. Und Mitte Mai, gleich nach seinem sehr guten Auftritt in Brünn, erwischte es ihn im Kraftraum beim Hanteltraining. Wochenlang kämpfte er sich in der Rehabilitation zurück, niedergeschlagen, aber nicht mutlos zeigte er sich beim Pfingstrennen in Dudenhofen. Ob das noch was wird in dieser Saison? Mit der U23 EM in Anadia und der WM in Santiago? Quo vadis, Hacki? Nun, im Februar bei den Europameisterschaften in Zolder/Belgien gefiel er als Sechster, an Ostern überzeugte er in Gent/Belgien im Sprintturnier. Und in Anadia fuhr er als U23-Europameister im 1000-m-Zeitfahren ins Rampenlicht. In Chile hat er dann abgeliefert, obwohl er in der Vorbereitung sehr stressige Tage und Wochen verbrachte. Denn seit September weilt er wieder in Kienbaum bei der Ausbildung zum Polizeimeister, während des Abschlusslehrgangs in Frankfurt/Oder pendelte er mit seiner Kaiserslauterer WG-Kollegin Alessa Pröpster täglich 50 Minuten einfach zwischen Schulbank und Radrennbahn hin und her, musste, beziehungsweise durfte zur Vereidigung und schrieb Klausuren, manchmal schon morgens um 7 Uhr. „Das ging natürlich auf Kosten der Erholung. Ich lernte, wenn es reinpasste, oft spät abends, aber mein Training lief trotzdem sehr sehr gut.“ In Santiago angekommen, fuhr er im Vorbereitungstraining eine Bestzeit nach der anderen. Da Nik Schröter in der Teamsprint-Qualifikation ein wenig klemmte, konnte Bundestrainer Jan van Eijden fast nicht anders, als Schröter durch Hackmann im nächsten Lauf zu ersetzen. Mit 17,2 Sekunden legte der Kirchheimer die zweitschnellste Zeit für die erste Runde hin, die im Turnier gefahren wurde. „Das war sicherlich erstaunlich, weil ich mich nicht auf Position eins vorbereitet hatte und die Zeit aus dem Kalten heraus fuhr“, erklärte er. Der Rest ist bekannt: Henric Hackmann ist in der Weltspitze angekommen.
