Die Premierenfahrten
Radsport: Gold für Alessa-Catriona Pröpster, der erste Start bei den Herren für Luca Spiegel: Die beiden Bahnradfahrer kommen mit jeder Menge neuer Eindrücke von der Europameisterschaft in der Schweiz zurück. Dabei war die Vorbereitung alles andere als frei von Hindernissen.
Alessa-Catriona Pröpster und Luca Spiegel liegen altersmäßig drei Jahre auseinander, aber einige Gemeinsamkeiten verbinden sie doch: Ihre Schul- und Sportausbildung absolvierten sie im Heinrich-Heine-Gymnasium, der Eliteschule des Sports in Kaiserslautern ohne Radrennbahn, ihr Trainer und Mentor ist der Otterbacher Frank Ziegler, sie fahren für das Bahnradteam Rheinland-Pfalz, für den RV Offenbach – und neuerdings in der deutschen Nationalmannschaft. In Grenchen im schweizerischen Kanton Solothurn gaben beide vergangene Woche ein Debüt: Pröpster stand zum ersten Mal auf einem Goldtreppchen in der Eliteklasse, der erst 18 Jahre alte Spiegel startete erstmals bei den Großen und belegte mit Maximilian Dörnbach und Marc Jurczyk den hervorragender vierten Platz im Teamsprint. Was für ein schönes Bild: Strahlefrau Pröpster zusammen mit den großen Drei des deutschen Teamsprints im Europameistertrikot und der Goldmedaille um den Hals. Endlich. Sie hatte schon bei den Weltmeisterschaften im Oktober in Paris davon geträumt, kam damals aber nicht zum Einsatz. Nun aber, in Grenchen, sollte sie in der Qualifikation ihr ganzes Können zeigen dürfen. Lea Sophie Friedrich wurde geschont – und Pröpster auf Position drei des Teamsprinttrios gefordert. Sie schlug sich klasse. „Ich kann ganz zufrieden sein. Ich bin sehr froh, dass wir auch in der Qualifikation mit mir die schnellste Zeit fuhren. Das hätte bestimmt blöd ausgesehen, wenn wir da Fünfter geworden wären und später Europameister“, sagte die Schwäbin aus Jungingen, verhehlte aber nicht, dass sich die Freude zunächst komisch anfühlte, weil die anderen Drei, also Pauline Grabosch, Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich, die das Finale fuhren, ja den allergrößten Teil zum EM-Gold beitrugen. Erst OP, dann EM-GoldWas keiner auf dem Bild sieht: Pröpster hat schwierige Wochen hinter sich. Kurz vor Weihnachten musste sie sich einer Blinddarm-Operation unterziehen, fuhr dennoch im Januar mit ins Trainingslager nach Südafrika, aber auch da lief nicht alles glatt: „Gleich bei der ersten Trainingseinheit auf der Straße sind Pauline und ich gestürzt, es war so unglücklich, aber es ist nicht viel passiert, außer ein paar Kapselrissen im Daumen“, erzählte die 21-Jährige, die Anfang März 22 wird. Sie konnte den Lenker halten, trotzdem: Eine optimale Vorbereitung sieht natürlich anders aus. „Es war echt hart, so von Null auf Hundert, ich hatte drei Wochen gar nichts gemacht“, sagte Pröpster, die für alle drei Nations-Cup-Rennen in Jakarta (23.-26. Februar), in Kairo (14.-17. März) und in Milton (20.-23. April) von Bundestrainer Jan van Eijden (Kaiserslautern) nominiert wurde. Youngster Luca Spiegel wird nur in Milton/Kanada starten, denn er ist noch im Abitur am HHG gefordert. Auch bei ihm ging es zuletzt mehr als turbulent zu. In Südafrika hatte er eine Magen-Darm-Geschichte zu überstehen, konnte nicht trainieren und musste seine erste Abiturklausur absagen. In Kapstadt hätte er die Englischprüfung schreiben sollen, die jetzt am 28. Februar nachgeholt wird. Die Klausuren in Sport und in Biologie brachte er Ende Januar hinter sich, als er wieder zurück war. „Ich nehme das alles ganz entspannt, Abiturprüfungen sind auch nur Prüfungen“, sagte Spiegel, der am letzten Tag in Milton 19 Jahre alt wird. EM-Einsatz statt TrainingÄhnlich abgeklärt und locker ging er mit dem Hilferuf Jan van Eijdens aus Grenchen um. „Es ging Schlag auf Schlag, ich packte die Koffer, buchte den Flug und saß abends schon im Flieger“, fasste er die Stunden zusammen, in denen er beim Training in Frankfurt/Oder erfuhr, dass er für den Teamsprint nachnominiert wurde. „Klar, man denkt an so etwas, ich hatte es aber für unwahrscheinlich gehalten“, sagte der Landauer, der keine Angst vor der EM-Premiere zeigte, allenfalls Respekt: „Ich habe mich unglaublich gefreut, dass ich nach Grenchen darf. Ich habe im Kopf alles versucht, um nicht durchzudrehen, sondern ganz entspannt dorthin zu fliegen. Ich wollte nichts mehr als meinen Job machen.“ Das muss man erst mal hinkriegen – mit 18! Erst als er vor dem ersten Lauf in der Startmaschine stand, merkte er, „dass es schon eine andere Hausnummer als bei den Junioren ist. Ich war echt nervös“. Aber: Die Wechsel im Team passten, die Schlusszeiten auch und der vierte Platz sowieso. Die Stimmung im Team sei richtig klasse gewesen, selbstkritisch merkte Spiegel indes an: „Rein persönlich, mit Blick auf meine Bestzeit, hatte ich mir aber mehr erhofft.“ Seine Bestzeit steht bei 17,5 Sekunden, er als Anfahrer des Trios auf der ersten Runde fuhr 17,8 Sekunden. Nach seinem Einsatz fuhr er mit dem Zug zurück, ließ am Wochenende in der Familie die Seele baumeln, aber nicht die Beine. Samstags Fitnessstudio, sonntags wieder nach Lautern. Lernen und trainieren ist angesagt. Nächste große Station für ihn und die Bundespolizistin ist im Sommer Glasgow, wo die Weltmeisterschaften stattfinden, und dann im Sommer 2024 Paris. Es hat sich wohl schon rumgesprochen, Olympia steht wieder vor der Tür.
Mit freundlicher Genehmigung der Rheinpfalz und von Klaus Kullmann