Klettern: Eine ganze Familie in der Wand

Eine ganze Familie in der Wand

Familienbande: Klettern gehört für Julanda Peter zum Leben, wie die Luft zum Atmen. Gut, dass die ganze Familie mitklettert. Ab und zu allein in der Wand zu hängen, findet die 15-Jährige aber auch nicht schlecht.

Julanda Peter aus Neuhemsbach, Mitglied im Nationalkader des deutschen Jugendkletterteams und für den Deutschen Alpenverein (DAV) Kaiserslautern unterwegs nach oben, steht weite Teile des Tages nicht am Boden. Sie hängt irgendwo am Seil, bouldert die Zimmerwand entlang oder inspiziert die Krone des nächsten Baumes. Neben der ausgesprochenen Kletterleidenschaft bestimmt noch was anderes ihren Tagesablauf: die 15-Jährige besucht die zehnte Klasse der Eliteschule des Sports am Heinrich-Heine-Gymnasium (HHG) in Kaiserslautern. „Da fühl’ ich mich sehr wohl“, sagt Peter, die zwischen all den Judoka, Radsportlern oder Badminton-Talenten zwar eine durchaus exotische Sportlerin ist, aber Sport ist Sport, und viele Trainingseinheiten sind hier für alle normal. Nur einen Klettertrainer, den gab es an der Schule bislang nicht. Nicht, bis Julanda in diesem Jahr ans HHG kam und ihren Trainer einfach mitbrachte. Rene Nobitz, Landestrainer im Wettkampfklettern, der betreut sie im HHG-Kraftraum oder auch an der Kletterwand in der benachbarten Barbarossahalle sowie in der nahen Boulderhalle „RockTown“. Eine weitere Besonderheit, Nobitz nimmt seit gut fünf Jahren auch die Rolle des Vaters ein, ist er doch mit Julandas Mutter Tamara Nobitz verheiratet. Der Kletterschuh ist schuld„Das ist schon ziemlich gut, da weiß ich immer, was ich trainieren soll“, findet die 15-Jährige, für die das Miteinander im Familienverbund ein Gewinn ist, zu dem auch gehört, dass ihre kleinen Brüder Juven (3) und Justus (2) auch gerne klettern und sich die Bewegungsabläufe so ganz nebenbei bei der erfolgreichen großen Schwester abgucken. „Klettern lebt von Bewegungen. Sehen, wie es geht, gehört dazu“, sagt dazu Rene Nobitz, der ursprünglich aus Freiburg stammt. Es war vor Jahren der Sieg von Julanda Peter beim Pfalz-Kletter-Kids-Cup, der Nobitz letztendlich nach Neuhemsbach umsiedeln ließ. Damals war er für einen Kletterschuh-Hersteller mit einem Stand in eben jener Kletterhalle, in der die kleine Julanda einen Kletterschuh gewann. Das Mädel brachte ihre Mama Tamara mit an den Stand, bekam die gewonnenen Schuhe und den Mann hinter dem Stand als neues Familienmitglied gleich dazu. So kann es auch gehen. Tamara Nobitz klettert auch. Irgendwann hat sie sich von der Leidenschaft ihrer Tochter anstecken lassen, hat längst den Trainerschein, ist Jugendleiterin beim DAV Kaiserslautern. Für Julanda heißt der Trainer allerdings Rene. „Es war schon ein Lernprozess“, gibt Rene Nobitz zu, dass es anfangs durchaus Konflikte gab und Julanda auch mal motzend ihren Trainer aufforderte, doch selbst zu tun, was er vorgeschlagen hatte. „Das habe ich dann gemacht, und dann war Ruhe!“ Besser als der TrainerHeute fordert das 15-jährige Klettertalent ihren Trainer nicht mehr derart heraus. „Gut so, sie ist viel besser als ich“, gesteht er mit einem Augenzwinkern ein. Der Landestrainer sieht trotzdem Kleinigkeiten, die es zu verbessern gilt, greift korrigierend ein, gibt Tipps und schreibt Trainingspläne für seine Ziehtochter. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Dann wäre da noch der in Frankenthal ansässige Bundestrainer Johannes Lau, unter dem Julanda auch trainiert, und es gibt die Nationalkader-Lehrgänge mit den deutschen Jugendtrainern. „Das ist ganz cool“, genießt Julanda solche gelegentlichen kurzen Auszeiten von der eigenen Kletterfamilie ganz gerne mal. Dort trifft sie dann auf ihre gleichaltrigen Kletterfreundinnen aus Baden-Württemberg, mit denen sie gerne abhängt. Ob nun am Seil oder am Hallenboden, definiert sie nicht näher. Wahrscheinlich beides. Ein bisschen Zeit zum Lesen, das bleibt dann schon noch. In den Herbstferien hatte sich die Zehntklässlerin dem historischen Roman „Winter der Welt“ von Ken Follett gewidmet, auch um die Geschichte des Zweiten Weltkrieges besser einordnen und verstehen zu können, wie sie sagt. Sobald der Buchdeckel dann aber wieder zuklappt, geht es meist wieder in die Höhe. Trainieren! Sie wollte ja fit sein für den letzten Teil des Deutschen Jugend-Cups. Nach den Einheiten Bouldern und Lead lag sie bislang auf Rang drei. Am Sonntag stand in Hamburg mit dem Speed-Klettern der letzte Teil des Cups an. Julanda speedete auf Rang fünf und holte sich damit Platz drei in der Gesamtwertung im Deutschen Jugendcup. Und nun? Die Hallen sind wieder dicht. „Die Saison ist um, da ist die Zwangspause erst mal nicht so eingreifend“, ordnet Trainer-Vater Rene Nobitz die Situation ein. Krafttraining läuft aber weiter, und nach einer Regenerationszeit wird Julanda dann halt erst mal im eigenen Boulderzimmer an die Griffe gehen und sich von den kleinen Brüdern beobachten lassen. Familienbande halt.

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